Dann versuche ich mal wieder meine Einschätzung zum deutschen Team Bora-Hansgrohe zu geben.
Bora beendete das Jahr 2023 mit offiziellen 23 Siegen (laut PCS) und rutschte in der Teamwertung UCI von Platz 4 auf 10. Letztes Jahr war natürlich gekrönt durch den Giro, aber auch die überragend auffahrenden Neuzugänge Hindley, Vlasov und Higuita. Leider musste man sich aber von der Spitze ins graue Mittelmaß verabschieden. Anders kann man 6 verlorene Plätze kaum deuten. Schlechter vom Abschneiden zum Vorjahrer war nur IWT, die sogar 10 Plätze verloren.
Es ist sicherlich schwer genaue Gründe für das schlechte Abschneiden zu finden, aber manche Thesen kann man sicherlich aufstellen, welche auch nicht wirklich neu sind.
1. Krankheiten, Verletzungen und Sturzpech
Ich finde es seit einigen Jahren doch auffällig, wie oft die etatmäßigen Stars oder Kapitäne leider in wichtigen Rennen nicht auf ihrer Topform sind. Sturzpech kann immer passieren, da kann man nur schwer etwas machen aber wie oft habe ich nun die letzten 3 Jahre gehört, dass der Kapitän krank war oder nicht fit.
Politt im Frühjahr, Vlasov und Kämna beim Giro, Schachmann hat eine persönliche Odysee seit 2-3 Jahren. Buchmann, Konrad, Bennett (der nie wirklich in Topform kam bei Bora und als ich ihn einmal auf hohem Niveau sah bei der Vuelta 22, da (oh Wunder), fiel er mit Krankheit dann aus..
Klar ist man bei Bora näher dran und sie kommunizieren offener, aber in der Breite war es einfach zu viel.. Stürze waren aber glücklicherweise seltener als die letzten Jahre, dafür eben andere Krankheiten/Erkältungen in den Vordergrund rückten.
2. Persönliche Entwicklung / Training
Schwerer Punkt, aber es fällt eben doch auf, dass im Vergleich zu den anderen Topteams, die Entwicklung vieler Fahrer stagnierte oder nicht mehr besser wurde verglichen zu ihrem Topniveau und dem Ranking / Ergebnissen in den Rennen.
Ganz oben sind da natürlich Bennett, Buchmann, Schachmann, teilweise auch Konrad zu nennen, die nicht nur stagnierten sondern auch wesentlich schlechter abschnitten als in ihren starken Jahren. Für das Team ist das natürlich immer schwierig, da der Großteil des Budgets eben doch in diesen Fahrern steckt.
Bei der zweiten Reihe könnte ich aber genauso weitermachen. Aleotti stagniert bzw. fuhr vor 1 oder 2 Jahren schon stärker, bei Fabbro waren die letzten beiden Jahre auch die schlechtesten in der WT, Schelling war zwar wieder besser als letzte Saison, aber dennoch weit entfernt von der Form 2021..
Bob Jungels hatte wieder einmal ein ganz schwaches Jahr. Higuita kam auch kaum in Tritt und selbst ein Hindley ist für mich ein Phänomen. Fast schon vergleichbar mit Thomas, der gefühlt auch nur in Topform bei einer GT steht, in sonstigen Rennen im Jahr fährt er aber selten um den Sieg mit...
Natürlich gab es auch Lichtblicke wie Kämna ( der beim Giro stark war trotz Erkältung), Cian der in zukünftigen GT's Richtung Podium gehen wird und Nico Denz, der für mich die Überraschung schlechthin war bei Bora. Auch andere Fahrer wie Meeus waren solide, aber im Grunde genommen kann man durch die 2 oberen Punkte die Rankings erklären. Das Bora wesentlich weniger Budget zur Verfügung hat als andere Topteams wie Ineos, Jumbo oder UAE ist natürlich auch klar und macht die Sache nicht einfacher.
Transfers (UCI Ranking):
Bei Bora gibt es einige Änderungen. Abgänge sind sehr namhaft wie Politt(141), Konrad(158), Bennett(205). Auch Schelling (282) geht und bei manchen steht es noch nicht fest, wohin es sie zieht. Das sagt aber dann schon viel aus über diese Fahrer, ansonsten wären sie schon unter Vertrag... Für mich sind die Abgänge anhand der Leistungen nicht dramatisch, wobei Politt einen starken Sommer hatte. Bei ihm ist aber auch das Thema, dass zu wenige Ergebnisse und Platzierungen zustande kommen, leider. Bin gespannt wie er sich bei UAE schlägt.
Bezüglich der Neuzugänge bin ich durchaus optimistisch. Man konnte mit Roglic (4.) zweifelsohne einen der besten Fahrer verpflichten, was bei Bora in dieser Größenordnung nur Sagan früher war. Klar es ist immer ein Risiko, aber für mich persönlich war z.B. bei Bennett aufgrund seiner langen Verletzung das Risiko größer, was sich bewahrheitet hatte. Im Normalfall ist Roglic ein Fahrer die in die Top 5 der UCI fährt, bei 2 Jahren Vertrag ist das Risiko ok.
Zusätzlich kommen Martinez(275), der ein ganz schwaches 2023 hatte, Sobbrero (184), Welsford (68) , Adria (172), Maciejuk (868) und Hajek / Herzog. Letztere fuhren früher bei Team Auto Eder, finde ich persönlich auch richtig, so zeigt man den Talenten, dass Auto Eder eine gute Adresse ist mit hohen Chancen auf einen späterne Profiplatz. Auf dem Blatt Papier würde ich die Nezugänge perspektivisch stärker einordnen. Auch das Alter spricht für die Nezugänge.
Ausblick 2024:
Aufgrund des vorhandenen Niveaus und auch der Neuzugänge sollte Bora wieder in die Top 5 oder ggf höher kommen können. Natürlich ist es stark abhängig wie die Fahrer, insbesondere Roglic, performen. Aber man muss schon sagen, dass Bora im Bereich GT meines Erachtens mittlerweile die in der Breite fast stärkste Mannschaft besitzt. Roglic, Hindley, Vlasov,Uijtdebroeks,Higuita,Martinez, Kämna, Buchmann, Jungels, Schachmann... Alles Fahrer die schon Rundfahrten gewonnen haben oder weit oben in der Top10 standen. Ich möchte da kein Sportlicher Leiter sein, zwar ist die Breite und das Niveau groß, aber das birgt natürlich auch Konfliktpotenzial..
Etatmäßig fehlen aber die Topfahrer für die nordischen Klassiker und die Sprints. Mit van Poppel hat den wohl besten Anfahrer und jemand der immer in die Top 10 fahren kann. Ggf. kann Welsford in die Lücke von Bennett stoßen, viel schlechter kann er es kaum machen. Aber ob Welsford wirklich der Sprinter sein wird, der die Konkurrenz schlägt?
Vielleicht können Denz, Meeus und Jungels in den Nordklassikern für Überraschungen sorgen, die Erwartungen sind auf jeden Fall nicht sonderlich hoch, gerade Denz traue ich diesbezüglich viel zu..
Es würde mich dann doch wundern, wenn Bora nicht wieder an 2022 anknüpfen könnte und die ein oder andere Rundfahrt wieder gewinnen kann. Vielleicht schafft es ja auch Schachmann wieder in die Nähe seiner alten Form zu gelangen. Für ihn und Buchmann ist es das letzte Vertragsjahr, da muss was kommen
Meinungen?